tanzschreiber Review

Beatrix: Aus welchen Elementen hat sich die Performance zusammengesetzt?

 

David: Die Tänzer*innen haben Bewegung und Text kombiniert: ab und zu haben sie sich von der Choreografie gelöst, um sich in einer Ecke zu versammeln und einander ‚Liebesgeschichten’ zu erzählen. Diese Geschichten wurden auf so persönliche Weise erzählt, dass es eine Weile gedauert hat, bis ich verstanden habe, dass sie aus den Rechercheworkshops von deufert&plischke stammten – und nicht wirklich die Geschichten der Performer*innen selbst waren! In einer anderen Ecke der Bühne standen zwei Musiker*innen, mit Keyboard und Mikrofon, die wie eine Band in einer billigen Eckkneipe im ländlichen Amerika aussahen. Sie spielten melancholische Musik mit Songtexten, die auch Teil dieser autobiografischen Anekdoten waren.

Gab es eine Geschichte, von der du dich ganz besonders angesprochen gefühlt hast?

Ich fand sie alle faszinierend, weil sie sich mit den Einzelheiten der Anstrengungen beschäftigten, die zu Beziehungen gehören, oder mit der schweren Aufgabe, eine Beziehung aufzubauen. Eine der Geschichten handelte von einer Person, die ihren Freund in Berlin besuchte, und in der es auch um das scheinbar unwichtige Detail ging, wo die Beiden zusammen frühstückten. Er gab ihnen einen 19 Seiten umfassenden Brief, als er ging. Die Beiden lasen den Brief als einen Liebesbrief, bis sie zum letzten Satz kamen (der schließlich auch zum Schlusssatz des gesamten Stücks wurde): „Es tut mir leid, es ist aus.“ Etwas aus dieser Kombination von Banalität und Monumentalem war sehr treffend, und genau das habe ich während des Stücks immer wieder gesehen: diesen Kontrast zwischen Normalität und den epischen romantischen Narrativen, die uns kulturell umgeben, wie zum Beispiel dem im Titel aufgenommenen „Liebestod“.

Das ist interessant! Hattest du das Gefühl, dass die Betonung des Banalen das Drama einer längst vergangenen Liebe verstärkt oder eher etwas geschwächt hat?

Ich schätze, dass so das Drama im eigentlich wörtlich theatralischen Sinne eher abgeschwächt wurde, aber für mich persönlich wurde sein Effekt verstärkt. Als eine der jungen Performerinnen eine Geschichte erzählte, die sich 1963 zugetragen hat, verschwammen die Grenzen zwischen den Erzählungen der verschiedenen Menschen im Raum – es wurde klar, dass jedem hier die gleichen Dinge hätten passieren können. Wir alle erleben unsere eigenen kleinen Dramen und als ich den Tänzer*innen dabei zusah, wie sie zusammenstanden und sich gegenseitig ihre Geschichten erzählten, sah ich auch mich mit meinen Freund*innen, wie wir uns von unseren eigenen lebensverändernden Momenten erzählen, die uns in einer U-Bahn, auf dem Sofa oder im Supermarkt passiert sind...

Und wie haben sich diese Geschichten in Bewegung übertragen?

Es fiel mir schwer, diese Verbindung zu ziehen – die Geschichten waren so realistisch, und haben mich oft so berührt, dass die abstrakten Bewegungen der Solos, der Duette und Trios nicht an die Details und die Menschlichkeit des Texts herankamen. Es gab Momente, in denen ich dachte, dass ich in der Körperlichkeit der Tänzer*innen vielleicht die Parodie eines Melodramas erkennen konnte, die sich auf das Konzept des epischen ‚Liebestods’ bezog, aber ich war mir nicht sicher. Für mich entstanden die effektivsten choreografischen Momente immer dann, wenn ein*e Tänzer*in mit geschlossenen Augen eine Geschichte erzählte und eine*r der anderen Performer*innen sie dabei anzog oder ihr die Haare kämmte und dabei konzentriert zuhörte. Durch diese sehr menschlichen, zärtlichen Handlungen, die im Kontrast zu dem durch den Text vermittelten Kummer standen, wurden Körper und Autobiografie auf sehr persönliche Weise miteinander verbunden.