Tanzschreiber Review

Alex Hennig: Kaori Seki arbeitet mit verschiedenen emotionalen und körperlichen Zuständen – wie hast du dich während des Stücks in deinem Körper gefühlt?

David Pallant: Das Stück wurde in fast vollständiger Stille aufgeführt, bis auf ein paar Geräusche hier und da (der Klang einer sich in einem Rouletterad drehenden Kugel, dem leisen Weinen einer Frau...). Das führte dazu, dass mein Körper die ganze Zeit angespannt blieb, als wäre er Teil des Stücks – denn wenn jede kleine Bewegung, die du machst, im ganzen Raum zu hören ist, gibt es auch nicht die Möglichkeit, sich der Performance zu entziehen oder sich zurückzulehnen und zu entspannen. Außerdem waren die Bewegungen der sieben Tänzer*innen so sorgsam ausgearbeitet und wurden so präzise ausgeführt, dass ich fühlen konnte, wie mein Körper auf sie reagierte. Er blieb die ganze Zeit leicht unter Spannung, so als würde ich den Atem anhalten.

Wie hast du Zeit wahrgenommen?

Ich hatte den Eindruck, dass sich die Zeit im Laufe des Stücks sowohl ausdehnte als auch zusammenzog, wieder weil es beinahe ganz still war. Ich hatte das Gefühl, von einer Spannung umgeben zu sein, oder so als ob die Luft im Raum ständig ihren Zustand ändern könnte, sodass die Handlung auf der Bühne mit unterschiedlich viel Kraft und Tempo durch sie hindurchschießen könnte.

Was für Bilder oder Gedanken setzten die Bewegungen der Tänzer*innen bei dir frei?

In den Bewegungen lag etwas sehr Zartes und doch Konzentriertes, so dass der Eindruck entstand, jeder kleine Finger sei absichtlich an einem ganz bestimmten Ort positioniert. Ich hatte das Gefühl, dass versucht wurde, dem Ziel einer „puren“ Bewegung entgegen zu streben – fast wie bei von Maschinen ausgeführten Bewegungen, de mit minimalistischer Effizienz arbeiten. Gleichzeitig hatten die Tänzer*innen aber auch etwas Animalisches, wenn sie über die Bühne huschten, ihre Wirbelsäulen krümmten oder auf allen Vieren balancierten. Und obgleich ich sie gerade als eine Mischung aus Roboter und Tier definiert habe, verlor ich auch das Menschliche nie aus dem Blick! Man könnte also sagen, dass die Tänzer*innen als ‚Menschen als Tiere im 21. Jahrhundert’ beschrieben werden könnten:)

Hat das Stück deine Perspektive auf „Menschlichkeit“ in irgendeiner Weise verändert?

Die Bühne war mit schwarzem Sand bedeckt, der wie Vulkanasche aussah. So begannen die Haut und fleischfarbenen Kostüme der Tänzer*innen im Laufe ihrer Bewegungen auszusehen, als wären sie voller Ruß. Auch hier konnte ich die Idee von etwas „pur“ Menschlichem erkennen, das sich veränderte, sobald es mit der industrialisierten Welt in Kontakt kam. Es ging also um etwas Pures, das sich aus unserem Ursprung als wilde Tiere herleitet – oder vielleicht aus unser Natur als spirituelle Wesen...? Das Stück schaffte es außerdem, neue Wege zu finden, um subtile und widersprüchliche Elemente des Menschlichen körperlich Ausdruck zu verleihen (und was ist Tanz Anderes als im Grunde genommen genau das!?). Ich habe das Stück nicht so verstanden, dass es um eine übergreifende These ging, genauso wenig wie Leben normalerweise ja ein konkretes Motiv hat. In diesem Sinne kam es mir eher so vor, als wohne man einer sehr bewegenden Darstellung eines einfachen Lebens bei, das sich vor uns entfaltete.