Entlarvender Humor

Ein Streit mit einem Mann, der erbarmungslos Steine auf eine Ente warf, wurde zum Ausgangspunkt für Nicola Gunns Soloarbeit „Piece for Person and Ghetto Blaster“. Diese Begegnung – und die mit ihr einhergehenden Missverständnisse – inspirierten sie, ein Stück zu konzipieren, in dem Kommunikation und Fehlkommunikation im Zentrum des Geschehens stehen.

Interview: David Pallant

Wie verhalten sich Text und Bewegung in deinem Stück zueinander?

Ich glaube, dass das Publikum vielleicht versucht, als Erstes eine Verbindung zwischen diesen beiden Dingen herzustellen und sich fragt, ob die Bewegung den Text veranschaulichen soll – und teilwiese mag dies auch der Fall sein. Ich verstehe es aber eher so, dass die Bewegung den Text attackiert –  manchmal verdeckt, dann wieder mit expliziter Aggression. Das gesamte Konzept des Stück beruht auf dem Duett zwischen Text und Bewegung. Es war meine Absicht, Bewegung als etwas irgendwie Unnötiges darzustellen – als unnötige Handlung. Mit diesem Begriff habe ich die Gewalt des Mannes beschrieben, der Steine nach einer Ente warf.

Erzähl uns mehr über den Arbeitsprozess mit der Choreografin Jo Lloyd ...

Unsere Praxis arbeitet mit unterbewusstem Verlangen und dem Effekt von Körpersprache. Jo har sich stark auf meine natürliche Körperlichkeit eingestellt. Sie besitzt die unglaubliche Fähigkeit, Informationen aufzunehmen, sie zu übersetzen und dann an mich zurückzuspielen. Während wir das Stück arbeiteten, haben wir einen beträchtlichen Teil unser Zeit im Studio damit verbracht, mit der Idee von unnötiger Handlung zu spielen. Immer wieder haben wir die Geschichte des Textes erzählt und dabei beobachtet, wie der Körper reagiert. Gleichzeitig haben wir versucht, mithilfe des Körpers die Energie des Texts zu verändern. Jo ist außerdem eine der witzigsten Menschen, die ich kenne, sodass dieser Prozess hauptsächlich pure Freude und ein wahres Vergnügen bedeutete. Diese Freude ist auch ein bestimmender Modus in der Performance.

Wie bereitest du dich auf jede einzelne Performance vor?

Ich wärme mich ausführlich auf und kümmere mich auf sehr praktische Weise um mich selbst – ich achte auf eine gute Ernährung und ausreichend Schlaf. Es ist mir immer etwas peinlich zuzugeben, dass es Einiges an Konzentration braucht, um dieses Stück aufzuführen — es beinhaltet eine Menge gesprochenen Text und Choreografie, sodass ich normalerweise den ganzen Tag vor der Aufführung für die Vorbereitung brauche. Ich arbeite hart, damit ich entspannt genug bin, um dann im Raum mit dem Publikum ganz präsent zu sein. Letztendlich ist das der wichtigste Aspekt.

Du hast ein sehr persönliches Stück geschaffen. Musst du dennoch eine gewisse Distanz dazu bewahren?

Mein gesamtes Werk basiert auf einer Praxis, die autobiografische Fiktion schafft. Deshalb ist die Entscheidung, mich selbst als Material zu nutzen, sorgfältig arrangiert. Das heißt aber nicht, dass die Arbeit mit Intimität, mit Risiko und Verwundbarkeit, nicht manchmal auch ihren Preis hat. Vor allem bin ich manchmal von mir selbst gelangweilt. Es ist ermüdend, und manchmal auch beschämend, sich auf der Bühne vor einem Publikum mit etwas Persönlichem zu beschäftigen. Das wiederum kann selbst zu einer interessanten Beobachtung werden, mit der ich mich momentan in meiner Arbeit näher auseinandersetze.

Welche Rolle spielt Humor in deiner Arbeit?

Eine sehr entscheidende, würde ich sagen. Humor kann als ‚weicher’ Zugang zu schwierigen Themen genutzt werden. Gleichzeitig kann er aber auch unglaublich enthüllend und subversiv sein. Außerdem bin ich großer Fan von geteilten Erfahrungen und gemeinschaftlichem Handeln. Für mich hat es etwas Magisches, in einem Raum voller Menschen zu sein, die alle zur gleichen Zeit über das gleiche lachen.

Dieses Interview ist Teil einer Interview-Serie in Zusammenarbeit mit den Tanzschreibern, Berlins Portal für Tanzrezensionen. Weitere Interview und Reviews von den Tanzschreibern folgen bald an dieser Stelle im Online Magazin von Tanz im August und unter www.tanzschreiber.de

Übersetzung: Mieke Woelky

Nicola Gunn
Piece for Person and Ghetto Blaster

9.–11.8. | HAU3