Tanzfotograf Klaus Rabien

Wären da nicht diese unerwarteten Überraschungen bei der Recherche zu “FÜR IMMER TANZ – 30 Jahre Tanz im August“, die Arbeit des Suchens und Sammelns könnte langweilig werden. Klaus Rabien war eine dieser Überraschungen. Zuerst hörte ich von einem Fotografen, der eigentlich Bäcker, ‘Baumkuchenmeister‘ ist.

Mit seinem Namen fand ich die “Konditorei Rabien“ in Steglitz, aber immer noch nicht den Fotografen. Ich ging Kuchenessen und erfuhr von der Bedienung, ja der Seniorchef ist Fotograf, aber nicht da. “Lassen Sie Ihre Telefonnummer da, er meldet sich.“ Das tat Klaus Rabien. Wir trafen uns in der seit Generationen familiengeführten Konditorei, einer richtigen Konditorei, in der weder Kalorientabellen noch vegane Vorermittlungen den Appetit auf TORTE verderben. Lediglich der Hinweis “ohne Alkohol“ hilft Kunden bei der Entscheidung. Hier reihen sich fast in Vergessenheit geratene Verführungen der Tortenkunst aneinander, locken Baumkuchenpäckchen und Pralinen – ein Paradies für alle, die Zucker nicht als Hauptfeind ihrer Ernährung ansehen. Klaus Rabien ist ein waschechter Berliner, helle, schlagfertig mit einer Prise Humor.

Tänzer aus einer Veranstaltung im Hebbel-Theater, Tanz im August 1991.

Für uns hat er sein Leben kurz zusammengefasst:

Klaus Rabien, 1933 in Potsdam geboren, aufgewachsen in einer traditionsreichen Konditorei, besuchte das Humanistische Victoriagymnasium bis zur mittleren Reife und begann dann die Konditorlehre. Der Familienbetrieb zog 1952 nach Westberlin. Klaus Rabien übernahm ihn 1970.

Freimütig gestand Klaus Rabien in einem Interview vor 10 Jahren, dass weder er noch sein Vater und Großvater mit heller Begeisterung das Konditorhandwerk erlernten. Bei seinem Sohn sei das zum Glück anders. Er hat das Geschäft vor Jahren übernommen.

Neben dem Hauptberuf fotografierte er seit seiner Kindheit und entwickelte seine Bilder immer selbst.

Der junge Rabien – er bekam von seinem Vater eine Contax geschenkt – hat nie eine Ausbildung zum Fotografen gemacht, sich alles selbst beigebracht. Prinzip: learning by doing. Berufsstand: Genialer Dilettant mit unglaublicher Ausdauer und großer Entdeckerlust.

Durch seine Frau Adela, die 1973 das erste Flamencostudio in Deutschland gründete, kam er zur Tanzfotografie.

Viele Fotograf*innen fotografieren in ihren ersten Berufsjahren Tanz, denn der stellt sie vor besondere Herausforderungen. Und Klaus Rabien – warum Tanz? Jenseits der Tatsache, dass er mit seiner Frau durch Spanien reiste und Flamenco fotografierte?

O-Ton Klaus Rabien

“Das war eigentlich die Bewegung. Die Aufgabe eine Bewegung in einem eigentlich starren Foto, das aber nicht starr wirken darf, festzuhalten. Das hat mich auch technisch gereizt. Der Flamenco war vielleicht ein guter Start, weil es im Flamenco immer Ruhepunkte gibt in der Bewegung. Oft tanzt das Kleid weiter, aber das Gesicht steht einen Augenblick still. Und das sind die Augenblicke, die man erwischen muss.“

In den achtziger Jahren hoben Freunde die Zeitschrift “tanz aktuell“ aus der Taufe. Sie brauchten Bilder. Klaus Rabien bekam dadurch Zugang zu den großen Bühnen, lernte viele Compagnien kennen und begeisterte sich für die Offszene der Stadt.

Gemeint sind Johannes und Angelika Odenthal, die sich in den Kopf gesetzt hatten, eine eigene Tanzzeitschrift herauszugeben. Sie gründeten 1986 “tanz aktuell“. Aber vom Flamenco zum zeitgenössischen Tanz? Das ist ein ganz schöner Kulturschock?

O-Ton Klaus Rabien

KR: “Ja das schon, aber das ist ja nicht so ein plötzlicher Übergang gewesen. Aber an sich die Problematik, also einen Moment im Tanz, eine Bewegung so ein bisschen vorauszusehen, das ist im modernen Tanz vielleicht schwieriger. Vor allem schwieriger als im Ballett, wo die Bewegung einigermaßen vorgegeben sind. Aber das ist natürlich auch besonders reizvoll dann ganz schnell zu reagieren."
CH: “Was konnten Sie denn anfangen mit dem zeitgenössischen Tanz? Da sind Sie doch sicher mit dem konfrontiert worden, wo Sie nicht so genau wussten, was das soll."
KR: “Ja ganz sicher, das ist auch noch bis heute so beim modernen Tanz. Aber ich war eigentlich immer neugierig und gerade wenn es Sachen waren, die ich nicht gewöhnt war, hat es mich besonders gereizt, das trotzdem zu schaffen. Obwohl ich zugeben muss, dass ich bei Sachen, die mich richtig begeistert haben, auch besser war."

Es ergab sich eine langjährige fruchtbare Zusammenarbeit mit Dance Berlin, den Rubatos, Klaus Abromeit, Salpuri, Gerhard Bohner, Oasis, Ten Pen Chii und Blanca Li, um Beispiele zu nennen. Dazu kam die Arbeit für das Hebbel-Theater von Nele Hertling und damit für den “Tanz im August“.

Auszüge aus dem Album, das uns Klaus Rabien zur Verfügung gestellt hat.
Auszüge aus dem Album, das uns Klaus Rabien zur Verfügung gestellt hat.
Auszüge aus dem Album, das uns Klaus Rabien zur Verfügung gestellt hat.

Während des Festivals zu fotografieren bedeutete oft genug während der Vorstellung fotografieren zu müssen: nicht das Publikum stören, möglichst leise und möglichst unsichtbar arbeiten, die Lichtverhältnisse hinnehmen und dabei doch passable Fotografien mit nachhause bringen. Klaus Rabien fotografierte mit Vorliebe in Schwarz-Weiß:

O-Ton Klaus Rabien

KR: “Na ja, ich habe die Fotos gerne selbst bearbeitet, selbst vergrößert und das war mir in der Farbfotografie zu kompliziert. Das hätte mich auch zu viel Zeit gekostet. Und die eigene Arbeit in der Dunkelkammer war irgendwie ein Teil des Vergnügens an dieser Arbeit.Ich bin immer mit wenigen Filmen ausgekommen, wenn ich Tanzstücke fotografiert habe und das wundert die Fotografen heute sehr, wenn ich sage, dass ich mit 70, 80 Fotos auskam für einen ganzen Abend Tanz. Weil ich immer schon bei der Aufnahme eine Auswahl getroffen habe, also nie so drauf losgeknipst und hab damit auch gute Erfahrungen gemacht.“
CH: “Aber es gibt doch dann auch den Moment, den man verpasst hat?“
KR: “Ja, dann verpasst man eben mal einen. Aber ich habe festgestellt, auch wenn man so Serienaufnahmen macht, das konnte man auch damals schon, dass die Kamera 4 oder 5 Aufnahmen ganz schnell hintereinander schießt, und es wird behauptet, dass man sich dann den richtigen Moment raussuchen kann, aber ich habe festgestellt, da kann dann immer noch der richtige Moment woanders gelegen haben.“

Der richtige Moment... das Geheimnis des Fotografen. Schwer zu beschreiben. Klaus Rabien hat mit einer Nikon fotografiert, für ihn vor allen Dingen eine praktische Entscheidung und keine ‘Glaubensfrage‘. Mit der voranschreitenden Digitalisierung veränderte sich das Geschäft:

O-Ton Klaus Rabien

“Das hat sich irgendwie so langsam ausgeläppert, zusammen mit dem Aufkommen der digitalen Fotografie. Mir hat das Fotografieren digital nicht mehr so viel Spaß gemacht. Es wurde aber von mir erwartet, die Tanzgruppen wollten CDs haben und keine Papierabzüge mehr. Die digitale Fotografie hat die Masse der Fotos so vermehrt, so vergrößert, dass das einzelne Bild eigentlich immer weniger wert ist. Auch im Selbstwertgefühl. Man hat das Gefühl, man macht da was, was eigentlich nichts mehr wert ist.“

Klaus Rabien wird in diesem Jahr 85 Jahre alt und geht gelegentlich noch zu Tanzaufführungen. Wenn er zurückdenkt, dann gehört die Begegnung mit Gerhard Bohner zu seinen schönsten Erinnerungen, ein “Highlight in meinem Leben“, sagt er. Sie haben sich gleich verstanden und Bohner hat ihm vertraut und Vertrauen gehört zu dieser Arbeit wie das Licht.

“Ich habe meine Arbeit immer als eine beglückende Aufgabe empfunden, weil damit den flüchtigen Momenten der Tanzkunst ein wenig Ewigkeit verliehen wird.“

Ein Foto des Fotografen? Nein, das gibt es nicht. Klaus Rabien hat sich zeitlebens lieber hinter als vor der Kamera aufgehalten. Da bleibt nur der Schnappschuss mit dem Handy.

Eine letzte Frage: Welche Torte schmeckt Klaus Rabien am besten? Die Schweden-Charlotte.

Ein Handyfoto von Klaus Rabien in seiner Konditorei.
Ein Foto der Schweden-Charlotte Torte in der Konditorei Rabien

Nachruf Klaus Rabien


“Soll ich das jetzt noch ein bißchen erzählen?” fragte Klaus Rabien spitzbübisch als wir uns in der Konditorei Rabien das erste Mal gegenübersaßen. Das war am 12. März. Wir hatten ihn gerade erst “entdeckt”, denn der Ruf des Baumkuchenmeisters, der in den 90er Jahren in der Berliner Szene Tanz fotografierte, hatte überdauert. Für uns stellte er ein kleines rosafarbenes “Fotoalbum” zusammen....wir haben ihm und seiner Geschichte ein Kapitel gewidmet und freuten uns darauf, ihn zur Eröffnung des Festivals zu begrüßen. Dazu kam es nicht mehr, denn Klaus Rabien erkrankte schwer und ist am 18. August 2018 im Alter von 85 Jahren verstorben. Wir hätten ihn gerne noch besser kennengelernt – bei einem Stück seiner Lieblingstorte in Steglitz. 

Claudia Henne